Der Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen

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Teilhabe am Arbeitsleben – alle Potenziale nutzen

Mehrere Personen an einem Tisch. Ein Mann spricht und gestikuliert, die anderen hören zu.
Jürgen Dusel im Gespräch mit Mitarbeiter*innen des Unternehmens SAP. Quelle: Behindertenbeauftragter/Dirk Enters

Unternehmen sind heute mehr denn je gut beraten, alle Potenziale zu nutzen und mehr Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen. Denn während die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter zumindest bis zum Pandemiebeginn 2020 Rekorde schrieb und viele Arbeitgeber bereits händeringend Fachkräfte suchen, liegt der Anteil der beschäftigungspflichtigen Unternehmen, die keine einzige schwerbehinderte Person und ihr gleichgestellte Arbeitskraft beschäftigen, seit Jahren unverändert bei rund 25 Prozent.

Sowohl für eine umfassende Inklusion von Menschen mit Behinderungen als auch im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist die Teilhabe am Arbeitsleben von großer Bedeutung. Um Langzeitarbeitslosigkeit oder Frühverrentung im Zusammenhang mit Beeinträchtigungen zu vermeiden, müssen eine frühzeitige Identifizierung durch die Krankenkassen, weitergehende individuelle Beratung und eine rechtzeitige Überleitung in andere Systeme der Rehabilitation gewährleistet sein. Nur so können zeitnah notwendige medizinische und berufliche Rehabilitationsmaßnahmen eingeleitet werden. Die Praxis sieht jedoch vielfach anders aus. Außerdem stellen die sozialen Sicherungssysteme mit ihren starr abgegrenzten Zuständigkeiten häufig eine große Hürde für einen abgestimmten Prozess von medizinischer und beruflicher Rehabilitation dar.

Teilhabe für Menschen mit seelischen und psychischen Erkrankungen

In den letzten 25 Jahren (1995 bis 2019) stieg der Anteil von Menschen, die aufgrund von seelischer/psychischer Erkrankung frühzeitig in Rente gingen, von 18,6 auf 41,7 Prozent. Ihr Leistungsvermögen liegt unterhalb von drei Stunden Arbeit täglich. Das bedeutet jedoch nicht, dass Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung oder Suchterkrankung nicht arbeiten können und wollen. Zur Stabilisierung und sozialen Teilhabe benötigen sie jedoch in besonderer Weise Angebote, die auf eine berufliche Eingliederung hinführen. Diese müssen niedrigschwellig und am individuellen Bedarf ausgerichtet sein und tagesstrukturierend wirken. Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) können diesen Rahmen häufig nicht bieten.

Obwohl die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Artikel 27 einen offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderungen zugänglichen Arbeitsmarkt fordert, sind diese besonderen beruflichen Teilhabeangebote für Menschen mit seelischen/psychischen Erkrankungen im Sozialrecht nicht verankert. Dennoch sind aufgrund des Bedarfs in der Vergangenheit gemeindenahe Zuverdienstmöglichkeiten entstanden. Sie zeichnen sich durch niedrigschwellige Zugänge, flexibilisierte Arbeitszeiten und individuell angepasste Leis- tungsanforderungen aus. Als inklusiv ausgerichtete Teilhabeangebote übernehmen sie damit auch die wichtige Funktion psychiatrischer Versorgung. Die Landschaft der Zuverdienstangebote ist jedoch angesichts der nicht einheitlichen und unzureichenden Ausgestaltung entsprechender gesetzlicher Vorgaben und Finanzierungsmöglichkeiten sehr heterogen. Sie liegen im Ermessen der jeweiligen Leistungsträger vor Ort.

Die mit dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) für Menschen mit einer vollen Erwerbsminderung eingeführten neuen Angebote der „Anderen Leistungsanbieter“ nach § 60 Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. m. § 111 SGB IX. und des Budgets für Arbeit sollen zwar auch die beruflichen Teilhabemöglichkeiten für psychisch erkrankte Menschen erweitern. Sie können dies aber nur sehr bedingt leisten, da ihre Rahmenbedingungen nicht für alle Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen geeignet sind. Für diese Personengruppe hat das BTHG keine Verbesserungen gebracht, daher wäre eine dauerhafte Verankerung im Sozialrecht wünschenswert.

Menschen mit Behinderungen am ersten Arbeitsmarkt: Unternehmen in der Pflicht

Auch für Menschen mit anderen Behinderungen sieht es nicht viel besser aus. Dabei sind Unternehmen heute mehr denn je gut beraten, alle Potenziale zu nutzen und mehr Menschen mit Beeinträchtigungen einzustellen. Denn während die Zahl sozialversicherungspflichtig Beschäftigter zumindest bis zum Pandemiebeginn 2020 Rekorde schrieb und viele Arbeitgeber bereits händeringend Fachkräfte suchen, liegt der Anteil der beschäftigungspflichtigen Unternehmen, die keine einzige schwerbehinderte Person oder ihr gleichgestellte Arbeitskraft beschäftigen, seit Jahren unverändert bei rund 25 Prozent. Daher fordert Jürgen Dusel einen zusätzlichen, signifikant höheren Staffelbetrag bei der Ausgleichsabgabe in Höhe von mindestens 720 Euro – für die Unternehmen, die vollständig gegen die Beschäftigungspflicht verstoßen und keinen einzigen Menschen mit Behinderung einstellen.

Jedoch müssen auch die Unternehmen bessere Unterstützung erfahren: So erschweren etwa verschiedene Zuständigkeiten mit teils unübersichtlichen Förderprogrammen und langen Bearbeitungszeiten die Einstellung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Deshalb brauchen Arbeitgeber zentrale Ansprechstellen, die beraten, unterstützen und beschäftigungsfördernde Leistungen „wie aus einer Hand“ koordinieren können. Ein Schritt auf diesem Weg sind die im Teilhabestärkungsgesetz vorgesehenen „Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber“, die Arbeitgeber bei der Ausbildung, der Einstellung und der Beschäftigung von schwerbehinderten Menschen informieren, beraten und unterstützen sollen.

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